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Integrationspreis
Die Stadt Frankfurt am Main
verleiht dem
Frankfurter Rechtshilfekomitee für Ausländer e.V.
den
Integrationspreis 2005
Rede von Dipl.Soz.D.Heesemann am 11.11.2005
anlässlich der Verleihung des Integrationspreises der Stadt Frankfurt am Main 2005 an das Frankfurter Rechtshilfekomitee für Ausländer e.V.
(im Kaisersaal des Römers)
Sehr geehrter Herr Stadtrat Dr. Magen,
sehr geehrte Vertreterinnen und Vertreter der Stadtverordnetenversammlung, des Magistrats und von städtischen Ämtern, der Kommunalen Ausländervertretung sowie von Einwandererinitiativen und Religionsgemeinschaften und von den Medien,
sehr geehrte Vertreterinnen und Vertreter unserer beiden Mitpreisträger,
liebe Freundinnen, Freunde und Mitglieder des Frankfurter Rechtshilfekomitees für Ausländer, meine Damen und Herren!
Mein Name ist Diether Heesemann, ich bin Mitglied des Vorstandes und einer der Gründer des Frankfurter Rechtshilfekomitees für Ausländer (im Jahre 1978).
Die Mitglieder des Frankfurter Rechtshilfekomitees haben sich riesig über die Verleihung des Integrationspreises gefreut. Er motiviert und stärkt uns in unserer langjährigen kontinuierlichen Arbeit, die i.d.R. im Stillen stattfindet und nun für einen Moment ins Blickfeld der Öffentlichkeit gerückt wird. Wir danken dem Magistrat der Stadt Frankfurt am Main und der Jury ganz herzlich für diese Auszeichnung und beglückwünschen zugleich die beiden anderen Preisträger dieses Jahres sowie die beiden Preisträger des analogen Hessischen Integrationspreises 2005. Uns alle verbinden ja ähnliche Werte und Ziele, so verschieden auch unsere Arbeitsschwerpunkte sind.
Manche von Ihnen werden sich fragen: wer ist und was macht das Frankfurter Rechtshilfekomitee für Ausländer? Die Redezeit gebietet Kürze, deshalb hier nur ein paar Stichworte (Fragen beantworten wir gern später).
1978 gegründet, weil einige von uns bei der Vernetzung von Frankfurter Beratungsstellen ein Defizit konstatierten: eine kostenlose, niedrigschwellige Rechtsberatung für Ausländer. Zur Zeit etwa 25 Mitglieder, davon ca. 15 an der Beratung beteiligt: Rechtsanwältinnen/Rechtsanwälte, Sozialarbeiterinnen/ Sozialarbeiter und andere Fachleute in ausländerrechtlichen und migrationsspezifischen Fragen. Unsere Mitglieder kommen z.Zt. aus Brasilien, Eritrea, Iran, Kroatien, Marokko, Österreich und Deutschland.
Jeden Dienstag, 18 – 20 Uhr – oft auch länger wegen des Andrangs – beraten zwei von uns (ein Anwalt/eine Anwältin und ein anderes Mitglied) die Ratsuchenden. Werben müssen wir für unser Angebot i.d.R. nicht. Bei den einschlägigen Behörden, Beratungsstellen, Einwanderer-Vereinigungen und in der "Szene" sind wir ziemlich bekannt – auch über Frankfurt hinaus.
Die gesamte Arbeit geschieht ehrenamtlich und ist kostenlos. Gelegentlich gewähren wir mittellosen Ratsuchenden einen Zuschuss zu Anwalts- und Verfahrenskosten. Dies finanzieren wir über Mitgliedsbeiträge und gelegentliche Spenden und Kollekten von Kirchengemeinden. Deshalb freuen wir uns jetzt natürlich sehr über das Preisgeld.
Unsere Beratung ist Basisarbeit im besten Sinne und geschieht in einer Art Nische in fast exotischer Umgebung: im Kirchturm der Christuskirche auf dem Beethovenplatz (im Frankfurter Westend). War Südkorea neulich bei der Buchmesse in Frankfurt zu Gast, so waren wir weit über 20 Jahre sozusagen in "Südkorea" zu Gast: in der Bibliothek einer koreanischen Einwanderergemeinde in eben jenem Turmzimmer, umgeben von Hunderten koreanischer Bücher.
Wir sind weiterhin dort (die koreanische Gemeinde hat jetzt anderswo eigene Räume), und zwar mietfrei! Dafür möchten wir der Christus-Immanuel-Gemeinde auch an dieser Stelle unseren herzlichen Dank sagen, ebenso den Mitarbeiterinnen der Evangelischen Studierenden-Gemeinde, die uns seit unserer Gründung vielfältig unterstützen.
Was tun wir inhaltlich? Wir verhelfen Menschen aus anderen Ländern, die aus ethnischen, politischen, religiösen, sozialen oder juristischen Gründen in Schwierigkeiten geraten sind, zu sachgerechter juristischer Beratung und Vertretung, nicht nur in ausländerrechtlichen Fragen, sondern auch in anderen Rechtsgebieten. Unsere Klientel ist bunt wie die Einwohnerschaft Frankfurts: von Einwanderern (früher Gastarbeiter) bis zu Flüchtlingen, von Unionsbürgern bis zu Menschen ohne Papiere. Entsprechend vielfältig sind die Fragen, mit denen wir konfrontiert werden.
Wir verstehen unsere Arbeit nicht nur als individuelle Beratung, sondern auch als eine spezifische Form von Integrationsarbeit. Indem wir Menschen beraten und zu ihrem Recht zu verhelfen suchen, erläutern wir ständig den Rechtsstaat, seine Gesetze und Institutionen. Wir machen deutlich, dass niemand rechtlos ist (auch nicht "illegal"), dass prinzipiell Gleichheit vor dem Gesetz herrscht, dass jedem Menschen Rechtsmittel gegen behördliches Handeln oder Gerichtsentscheidungen zustehen, dass nach Recht und Gesetz entschieden wird und Entscheidungen im Rechtsstaat nicht käuflich sind.
Wer die Entwicklung des Ausländerrechts in den letzten 30 Jahren in Deutschland und die Defizite in der Integrationspolitik engagiert und informiert verfolgt hat, wird verstehen, dass es oft mühsam ist, Vertrauen in den Rechtsstaat aufzubauen.
Umgekehrt machen der Facettenreichtum der Anliegen der Ratsuchenden und ihre Findigkeit als Überlebenskünstler es manchmal nötig, deutlich zu machen, dass der Rechtsstaat nicht alles mit sich machen lässt.
Auch nach 28 Jahren: immer wieder eine spannende Arbeit, wenig Routine, manchmal frustrierend, wenn Menschen nicht geholfen werden kann, weil auch wir Experten an die Grenzen des Ausländerrechts stoßen. Aber wir lassen uns nicht entmutigen.
Wir möchten bei dieser Gelegenheit dazu einladen, uns kennenzulernen, bei uns zu hospitieren und unser Beratungsteam evtl. zu verstärken und zu verjüngen!
Wir haben – gemäß unserer Satzung – von Anfang an ein zweites Ziel im Rahmen unserer begrenzten Möglichkeiten zu realisieren gesucht: die öffentliche Einflussnahme auf Entwicklungen, die wir für förderungswürdig oder kritikbedürftig halten. Deshalb möchten wir auch heute bei diesem festlichen Anlass nicht nur Dank sagen, sondern auch einige Anliegen und Sorgen zum Ausdruck bringen dürfen.
Doch zunächst unser Dank und unsere Anerkennung: sie gelten heute der Stadt Frankfurt. Das Dezernat für Integration und das AMKA haben immer noch Modellcharakter, der zentrale und die regionalen Präventionsräte verdienen hervorgehoben zu werden, ebenso die Mitarbeit in der Polizei-Fortbildung oder die Anti-Diskriminierungs-Richtlinie der Stadt, der Brückenbau zwischen den Religionsgemeinschaften, sicher noch viel mehr (der jährliche Integrationsbericht der Stadt belegt das)!
Andererseits erhoffen wir uns für die Zukunft noch stärkere Bemühungen um eine Öffnung der Stadtverwaltung für Mitarbeitende mit Migrationshintergrund und wieder verstärkte Bemühungen um die Aus- und Fortbildung städtischer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Fragen "interkultureller Kompetenz" (an diesem Projekt haben mehrere Mitglieder unseres Rechtshilfekomitees früher intensiv mitgearbeitet, und wir wissen, dass die Beendigung des früher sehr gelobten Modells einer externen Fortbildung durch die Stadtverwaltung noch heute von vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bedauert wird).
Auch auf eine stärkere Durchsetzung der Anti-Diskriminierungs-Richtlinie möchten wir dringen. Nach unseren Beobachtungen gibt es da noch Nachholbedarf an bestimmten Stellen der Stadtverwaltung.
Manches andere erfüllt uns mit Sorge, aber hier ist nicht der Ort, weiter in Details zu gehen.
Ganz generell und mit Blick auf die aktuellen Vorgänge in Frankreich erhoffen wir uns, dass es zu keinen weiteren Etatkürzungen im Bildungs-, Sozial- und Präventionsbereich kommt und dass Frankfurt seinen ganzen Einfluss in dieser Hinsicht auch in Wiesbaden geltend macht. (Die möglichen Folgekosten werden die heute erzielten Einsparungen um ein Vielfaches übersteigen.)
Bitte interpretieren Sie diese offenen Worte als Teil unseres Integrationsverständnisses und als Ausdruck der gewachsenen und bewährten Offenheit in der gemeinsamen Arbeit zur Förderung der Integration in dieser Stadt.
Zum Schluss möchten wir Ihnen nochmals herzlich danken für die Anerkennung und Stärkung unserer Arbeit durch die Verleihung des Integrationspreises 2005.
Frankfurter Rechtshilfekomitee für Ausländer e.V.
Dipl.Soz. Diether Heesemann